Die Neigschmeckte und die Pillepoppen
Heute ist der Tag der deutschen Einheit. Und während die meisten sich über den zusätzlichen freien Tag freuen, mache ich mir so meine Gedanken. Denn: Welcher Tag eignet sich sonst so gut, um das Thema Dialekte aufzugreifen? Denn mit Dialekten ist das so eine Sache…
Vielleicht kommt Ihnen die folgende Geschichte bekannt vor. Wenn man aufwächst, lernt man so einiges: Wie man läuft, wie man isst und natürlich, wie man spricht. Bis dahin ist alles ganz normal und dann ist dort zum ersten Mal dieser Mensch, der anders redet. Man versteht ihn zwar und doch ist da etwas in seiner Aussprache, das unsere Augen und Ohren größer werden lässt: ein Dialekt.
Als Westfälin bin ich (vermeintlich) in einem hochdeutsch-geprägten Umfeld groß geworden. Meine Großeltern führten aber eine westfälisch-sächsische „Mischehe“, sodass ich beim Platt schnacken und Sächseln zwar bis heute nicht aktiv mitmachen, wohl aber alles problemlos verstehen kann. Als Kind jedoch waren alle anderen Dialekte für mich ein großes Wunder. Eines Tages zog ein Mädchen aus Berlin in die Nachbarschaft. Gemeinsam saßen wir am Klavier und sangen Lieder. Ihr Hochdeutsch dabei war immer perfekt, bis sie dann wieder normal erzählte. Mein erstes Erlebnis mit einem anderen Dialekt. Es folgten Urlaube in Österreich, Lehrer aus Hessen und Online-Freundschaften im Saarland und jedes Mal die Verblüffung, wie anders ein und dieselbe Sprache doch klingen kann. Fürs Studium zog ich nach Stuttgart. Das Schwabenland und sein Dialekt sind so eine Sache für sich. Eine andere Kultur und ein unglaublicher Stolz auf den eigenen Dialekt („Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Baden-Württemberger Werbeslogan). Und hier erlebte ich zum ersten Mal, wie es ist, als Neigschmeckte, sprich Zugezogene, in einer anderen Dialekt-Zone zu leben: Andere Wörter, andere Redewendungen. Selbst mit einem erhöhten Sprachtalent war es nicht immer einfach, den Vorlesungen zu folgen, beim Bäcker bekam ich Laugenbrötchen anstatt der ganz normalen Weizenbrötchen (Kaisersemmeln) und mit meiner freudigen Entdeckung der Pillepoppen im Gartenteich konnte von den Nachbarn auch keiner so recht etwas anfangen. Dabei wollte ich nur auf den quirligen Frosch-Nachwuchs hinweisen. Denn obwohl wir Westfalen unter den meisten Dialekten dem Hochdeutschen sehr nahe stehen, haben wir in unserem kleinen Fleckchen Deutschland doch eine große Anzahl wundervoller Wörter: Pömpel (definitiv größer als ein Pinöckel), Schnatgang, dudeldicke oder das mittlerweile in ganz Deutschland bekannte Pumpernickel. Und damit ist dieser Blogbeitrag nicht nur ein Erfahrungsbericht, sondern auch eine Liebeserklärung an die Dialekte. Denn letztendlich verbinden sie uns mit der Heimat. Ich für meinen Teil habe sowohl aus dem Schwabenländle als auch aus allen anderen Dialektregionen das ein oder andere Wörtchen für mich mitgenommen.
Foto zur Verfügung gestellt von Michael Schwarzenberger. Dankeschön!